Organe
Otosklerose – wenn das Ohr verknöchert
Veröffentlicht am:02.06.2025
5 Minuten Lesedauer
Bei Otosklerose verknöchert die Verbindung des Steigbügels mit dem ovalen Fenster. Da die Erkrankung voranschreitet, hören Betroffene mit der Zeit schlechter. Anfangs kann die Versorgung mit einem Hörgerät ausreichen, manchmal ist eine Operation ratsam.

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Was ist eine Otosklerose?
Der Begriff Otosklerose leitet sich von zwei Wörtern ab: „Oto“ für „des Ohrs“ und „Sklerose“ für „Verhärtung“. Beim Hörvorgang muss sich der Schall aus der Luft auf die mit Flüssigkeit gefüllte Hörschnecke des Innenohrs übertragen. Schall überträgt sich jedoch nur schlecht aus der Luft auf eine Flüssigkeit. Für diesen Übergang ist das Mittelohr da. Der Schall trifft über den äußeren Gehörgang auf das Trommelfell – es trennt den äußeren Gehörgang vom Mittelohr. Das Trommelfell kommt durch den Schall in Schwingung und bewegt dabei eine Kette kleiner Gehörknöchelchen, die nach ihrer Form Hammer, Amboss und Steigbügel heißen. Der Steigbügel überträgt am Ende dieser Kette den Schall auf das sogenannte ovale Fenster, hinter dem sich die Flüssigkeit des Innenohrs befindet. Das funktioniert, indem der Steigbügel wie ein Kolben im Motor gegen das ovale Fenster schwingt. Bei der Otosklerose kommt es zu einer Knochenvermehrung am Steigbügel, wodurch er immer schlechter gegen das ovale Fenster schwingt und am Ende sogar ganz fixiert werden kann. Damit überträgt er den Schall auf das Innenohr immer schlechter. Bei der Otosklerose klappt die Schallweiterleitung über das Mittelohr zum Innenohr somit unzureichend – es liegt eine sogenannte Schallleitungsschwerhörigkeit vor.
Wie entsteht eine Otosklerose?
Noch ist nicht klar, warum es zu den ungewöhnlichen Knochenstrukturen im Ohr kommt. Scheinbar sind die Gene daran beteiligt, denn bei bis zu 50 Prozent der Erkrankten gibt es eine familiäre Veranlagung. Daneben werden weitere Ursachen diskutiert. Möglicherweise spielen zurückliegende Maserninfektionen eine Rolle oder eine veränderte Empfindlichkeit auf Hormone. Auch das Immunsystem oder der natürliche Knochenumbau könnten eine Otosklerose begünstigen. Die genaue Ursache ist aber bis heute ungeklärt.
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Die Symptome von Otosklerose im Überblick
Bei der Otosklerose steht der zunehmende Hörverlust im Vordergrund. Die Erkrankung macht sich meist im Alter zwischen 15 und 45 Jahren bemerkbar, eine Behandlung ist in der Regel aber erst viele Jahre später nötig. Frauen sind deutlich häufiger betroffen als Männer. Anfangs haben Patienten und Patientinnen Probleme, niedrige, leise Frequenzen wahrzunehmen. Flüstern und männliche Stimmen sind schlecht verständlich, Vokale wie das „A“ oder „E“ kommen scheinbar abhanden. Insbesondere in lauten Umgebungen können Erkrankte Gesagtes kaum hören. Mit zunehmendem Krankheitsfortschritt verstärken sich die Otosklerose-Symptome. Über viele Jahre hinweg nimmt der Hörverlust zu. Üblicherweise beginnen die Hörprobleme auf einem Ohr, betreffen bei mehr als 70 Prozent der Betroffenen aber im Verlauf beide Seiten. Neben dem schleichenden Hörverlust kann es zu Ohrgeräuschen kommen.
Wie wird Otosklerose diagnostiziert?
Die Otosklerose-Symptome, insbesondere der Hörverlust, führen bei Betroffenen oft zu einem hohen Leidensdruck. Wenden Sie sich bei Beschwerden am besten zunächst an Ihren Hausarzt oder Ihre Hausärztin. Bei Bedarf erhalten Sie eine Überweisung. Der HNO-Arzt oder die HNO-Ärztin erkundigt sich nach den Beschwerden und führt eine Ohrspiegelung durch. Dabei legen Mediziner und Medizinerinnen einen kleinen Trichter in den Gehörgang. Mit einer Stablampe begutachten sie den Gehörgang und das Trommelfell – sie beurteilen den Bereich mit einem Ohrmikroskop zudem genauer. Danach folgen Hörtests. Ein sehr einfach durchzuführender Test ist der Stimmgabeltest. Hier wird die Stimmgabel in Schwingung versetzt und auf die Mitte des Schädels gehalten. Dabei kann man feststellen, ob Betroffene den Ton auf einer Seite mehr hören als auf der anderen. Danach wird die Stimmgabel wieder in Schwingung gesetzt und neben dem Ohr auf das Felsenbein gehalten, bis man den Ton nicht mehr hören kann. Hält man dann die noch leicht schwingende Stimmgabel vor den Gehörgang, wird der Ton wieder gehört. Hört man ihn dann auch nicht, spricht dies für eine Schallleitungsstörung. In der Hals-Nasen-Ohren-Praxis folgt ein Audiogramm. Das ist ein Hörtest, der mehr über die Hörfunktion verrät und auch etwas über das Ausmaß der Höreinschränkung. Eventuell veranlasst die Fachpraxis auch ein Tympanogramm, um die Beweglichkeit des Trommelfells zu messen. Manchmal reichen die Untersuchungsergebnisse für eine Diagnose nicht aus. Ärzte und Ärztinnen können dann unter anderem zu einer Computertomografie überweisen – hier beurteilen Untersuchende die Gehörknöchelchen.
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So behandeln Mediziner und Medizinerinnen eine Otosklerose
Die Behandlung konzentriert sich darauf, das Hörvermögen bestmöglich wieder herzustellen. Eine wirksame medikamentöse Behandlung gibt es nicht. Menschen mit einer Otosklerose erhalten zu Beginn meist ein Hörgerät – es verstärkt den Schall und fängt Hörverluste bei einer leichten Otosklerose gut auf. Schreiten die Krankheit und damit die Hörprobleme voran, kann eine Operation direkt am verknöcherten Steigbügel ansetzen. Eine gängige Otosklerose-OP ist die sogenannte Stapedotomie. Dabei wird der verknöcherte Steigbügel zum Teil entfernt und ein kleines Loch in die Fußplatte gebohrt. Der Steigbügel wird durch eine Prothese ersetzt, die in die Gehörknöchelkette eingefügt wird. Diese überträgt dann wieder ungehindert, wie ein Kolben, den Schall auf das ovale Fenster. Die Operation kann in Lokalanästhesie erfolgen. Der Vorteil: Mediziner und Medizinerinnen beurteilen die Verbesserung des Hörens schon während der Operation. Zwar sind die Ergebnisse dieser Operation sehr gut, aber natürlich bestehen auch Risiken. In seltenen Fällen ist das Hören nach der OP schlechter als vorher und im schlimmsten Fall kommt es durch die Operation zum kompletten Hörverlust des Ohres. Deswegen werden nie beide Ohren gleichzeitig operiert und man beginnt immer mit dem schlechteren Ohr. Eine Wiederholung der Operation kann nach wenigen Jahren notwendig werden, zum Beispiel wenn die Prothese sich verlagert.
Tipps für Menschen mit Otosklerose
Die Diagnose „Otosklerose“ kann Betroffene verunsichern. Vor allem der Umgang mit dem fortschreitenden Hörverlust wird oft als schwierig empfunden. Folgende Tipps können Ihnen im Krankheitsfall helfen.
- Suchen Sie Kontakt zu Gleichgesinnten: Schätzungen zufolge ist bis zu einem Prozent der Bevölkerung von einer Otosklerose betroffen. Durch soziale Netzwerke oder Selbsthilfegruppen, etwa initiiert durch die Tinnitus-Liga, kommen Sie in Kontakt mit anderen Menschen. Hier können Sie sich online und offline über Hörprobleme austauschen und Maßnahmen zur Bewältigung besprechen. Leiden Sie psychisch stark unter Ihrer Erkrankung, kann unter Umständen eine Psychotherapie sinnvoll sein – dazu kann Sie Ihr Hausarzt oder Ihre Hausärztin beraten.
- Gehen Sie regelmäßig in die HNO-Praxis: Ihre Ärztin oder Ihr Arzt vereinbart mit Ihnen, wie häufig das Hörvermögen überprüft werden muss. Nehmen Sie diese Termine wahr. Bei einer Verschlechterung bespricht der Mediziner oder die Medizinerin, welche Behandlung für Sie am besten geeignet ist.
- Nehmen Sie die Behandlung an, wenn sie notwendig wird: Hörprobleme können Betroffene von anderen Menschen trennen und erhöhen unbehandelt das Risiko einer Demenz.